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Chancen und Risiken des digitalen Wandels

Gegenseitig voneinander beeindruckt waren Publikum und Referenten bei der MIT-Veranstaltung zum Thema Digitalisierung. Denn unter den Zuhörern waren selbst viele Experten, die bei der Podiumsdiskussion interessante Beiträge lieferten.
Robert Stein MdL führte in das Thema ein, Michael Köster von KPMG zeigte einen PowerPoint-Vortrag und Jürgen Bittner von Bitcon gab wertvolle Hinweise.
„Jedes gucken im Internet hat seinen Preis, bei dem ich viel von mir selbst preisgebe“, hieß es gleich zu Beginn der Veranstaltung und Peter Jacobsen von der Rheinisch-Bergischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft gab prompt ein Beispiel: „Ich bin 62 Jahre alt und habe mich aus Spaß einfach mal für Babywäsche interessiert, um zu sehen, wo mich das überall anschließend einholt – und ich bin mehr als erschrocken darüber, wer mir anschließend alles gratuliert und Werbung geschickt hat!“ Kein Wunder, so die Referenten, denn wenn man beispielsweise auf die Seiten von Otto oder RTL gehe, wüssten das gleich drei große Konzerne in den USA: „Das müsste vom Gesetzgeber mal regulatorisch hinterfragt werden.“
Die Digitalisierung macht vieles möglich, Gutes und Schlechtes: es gibt neue Geschäftsmodelle wie eBay, HRS, Helpling und es gibt verbesserte Geschäftsmodelle wie Drive Now, Uber, Airbnb uvam. Digitale Preisschilder (Barcodes) machen eine dynamische Preisgestaltung möglich und wer über ein iPhone ein Produkt bestellt, zahlt unter Umständen mehr als jemand mit Android. Amazon aktualisierte einmal pro Stunde die Preise, so Michael Köster. Dennoch hätten viele Unternehmer keine Lust, sich digital fortzubilden: „Wenn gefragt wird nach den wichtigsten Technologien kommt was ganz anderes raus, als wenn Unternehmer gefragt werden, welche Projekte gerade geplant sind“, wunderte sich Michael Köster von KPMG. Cloud-Dienste würden in Deutschland unterschätzt. „Wir hinken hinterher – andere Länder sind bei der Digitalisierung ringsum wesentlich weiter, schon allein was öffentliches Wi-Fi betrifft“, ergänzte Jürgen Bittner. Eine gute Internet-Versorgung sei die Voraussetzung, Bayern sei hier wesentlich weiter als NRW.
Köster erläuterte, eine gute Versorgung könne die Entwicklung hemmen: „Wir in NRW haben dichtes Netz an Supermärkten, deshalb ist man nicht so schnell bereit, drei Euro Liefergebühr zu zahlen. Auch beim ISDN-Netz waren wir weltweit führend. In Afrika gibt es Länder ohne Festnetz mit hervorragender Mobilfunk-Versorgung.“
Ähnliches, so das Publikum einig, gelte auch für Waren: „Wir haben zu viel Ware im Markt, die Einzelhändler bieten zu viel Angebot und zu wenig Profil. Jährlich kommt 1 Million m² Verkaufsfläche hinzu. Das ist Kannibalismus. 80 % der Produkte hat jeder und dann gibt es einen Preiskampf.“ Bettina Wisniewski von Bilfinger Real Estate war sich sicher, dass die Kombination von stationärem Handel und Onlinehandel die Zukunft sei: „Im Internet gekaufte Ware, die nicht passt, im Shop zurückgeben und auch umgekehrt: den Zalando-Shop in Köln wollten am letzten Wochenende 10.000 Menschen sehen. Darüber hinaus muss Einkaufen zum Event werden, mit schönen Cafés zum Beispiel.“
Köster ergänzte: „Auch wenn ich bei Amazon einkaufe, kann doch der Laden vor Ort ausliefern. Aber dafür müssten sich die Einzelhändlergemeinschaften auch öffnen. Viele haben aber eine Abwehrhaltung gegen moderne Logistik.“ Viele Einzelhändler vor Ort hätten noch nicht mal einen Web-Auftritt, geputzte Schaufenster und schöne Dekorationen, so das Publikum.
Fazit: Die Digitalisierung hat unser Leben längst durchdrungen. Viele haben aber keine Lust, sich mit der Digitalisierung (ihren Risiken und Chancen) auseinander zu setzen. Aber die Entwicklung zwingt dazu – zum Beispiel bei den Banken. Helfen kann dann nur, sich als Verbraucher, Händler und Unternehmer so weiter zu bilden, dass wir das durchschauen. Alle betonten die Notwendigkeit informatischer Bildung. „Nur mit dieser Kompetenz lässt es sich in dieser Welt mündig leben“, so Robert Stein. Seiner Forderung, ein Pflichtfach Informatik in den Stundenplan aufzunehmen, unterstützten die beiden anderen Referenten. Dafür müssten aber erst einmal die Lehrkräfte für den kritischen Umgang sensibilisiert werden.
(Text: D. Dietsch, Fotos: A. Szanto)